Ein Jahr in St. Petersburg

Ich dachte für lange Zeit der russische Winter macht mir nicht so viel aus. Die letzten Wochen habe ich aber gemerkt, dass es reicht. Ich wollte Sonne, Blumen, grüne Bäume. Als es vorgestern Morgen nach feuchter Erde roch (wie nach einem Sommerregen) war ich schon ziemlich aufgeregt. Als ich dann mittags einen Schmetterling gesehen habe sozusagen im siebten Himmel. Und gestern hat meine Träume erfüllt. 17 Grad, Sonne und die ersten Blumen! Es ist unglaublich wie sich durch so etwas die Laune hebt. Ich konnte ohne Jacke spazieren gehen. Die Bäume sind zwar immernoch blattlos und die Sonne hat sich für heute wieder verabschiedet, aber es gibt endlich Hoffnung, dass der Sommer doch noch kommt :)

Das ist Ksusha. Sie ist 15 Jahre alt und ein Mädchen.
Vor ein paar Tagen war ich mit ihr zu einer Untersuchung in einer Polyklinik die auf Kinder spezialisiert ist. Sprich überall junge Paare mit kleinen Kindern. Und ich mittendrin. Das alle annahmen ich sei die Mutter war offensichtlich. In Russland ist es aber auch nicht besonders unüblich das Mütter sehr jung sind, bzw. jünger aussehen als sie sind. Ich hatte nicht das Gefühl komisch angeschaut zu werden. Komisch wurde die Situation als die Leute anfiengen mit mir zu reden. "Ach was ein süßer kleiner Junge!" Jetzt hatte ich zwei Optionen. Entweder erklären, dass sie weder klein noch ein Junge ist, ich nicht ihre Mutter bin und dass sie behindert ist. Oder lächeln und nicken.
Ich habe mich für letzteres entschieden. Man muss Leute ja nicht unnötig schockieren (obwohl es der russischen Gesellschaft durchaus mal gut täte).
Und habe mich somit für die Zeit in der Arztpraxis lächelnd und nickend eingefügt in die Welt der jungen Eltern...

Es ist ein Phänomen. Man läuft durch die Stadt und etwa jede 3. Frau und nicht geade wenige Männer laufen mit diesen Tüten durch die Gegend. Am Anfang habe ich gerätselt, was das denn für ein Wunderladen sein muss, dass alle dort einkaufen. Vielleicht superbillig? Weit gefehlt. Es ist ein Kosmetikgeschäft, das vielleicht mit Douglas zu vergleichen ist. Definitiv nicht billig. Nun stellt sich die Frage. Warum kaufen alle andauernd dort ein? Die Antwort habe ich herausgefunden, als ich zufällig in Besitz einer solchen Tüte gelangte. Sie kaufen dort nicht dauernd ein. Aber sobald man an solch eine Tüte kommt, gibt man sie nicht so schnell wieder her. Die Tüten sind nämlich stabil und haben eine gute Größe. Und Stofftaschen sind in Russland nicht sonderlich weit verbreitet. Hat man also solch eine Tüte benutzt man sie bis sie auseinander fällt. Ein geniales Werbekonzept ;)